Fear fuels the system - die negativen Mechanismen des Gehirns

Fear fuels the system - die negativen Mechanismen des Gehirns

Unser Gehirn liebt Gefahr mehr als Harmonie

Menschen sind evolutionär darauf programmiert, Gefahren schneller und intensiver wahrzunehmen als Chancen. Vor zehntausenden Jahren konnte genau das unser Überleben sichern: Wer im Gebüsch eher ein Raubtier vermutete als eine harmlose Katze, hatte bessere Überlebenschancen. Weil auch damals wusste man: man muss nicht schneller sein als das Raubtier, aber auf jeden Fall schneller als der langsamste in der Gruppe.

Dieses eingebaute Warnsystem sitzt vor allem in der Amygdala, einem Teil des limbischen Systems, der sofort Alarm schlägt, sobald etwas bedrohlich wirkt – egal ob es ein wildes Tier, ein bedrohlicher Ton oder heute eben eine Schlagzeile ist.
Es ist eine sehr kleine Region in unserem Gehirn, hat aber großen Einfluß.



Negativität schlägt Positivität

Studien zeigen: Wir erinnern uns länger an negative Ereignisse, reagieren stärker darauf und gewichten sie emotional schwerer als positive Erfahrungen. Dieses Phänomen nennt man Negativity Bias.

Beispiel: Ein Kompliment macht uns vielleicht kurz glücklich, eine Beleidigung aber kann uns tagelang beschäftigen. 

Diese emotionale Verarbeitung ist tief in unserer Neurobiologie verwurzelt, was erklärt, warum negative Nachrichten in den Medien oft mehr Beachtung finden als positive Entwicklungen.

Wie Politik und Medien diesen Mechanismus nutzen

Genau dieser Negativity Bias wird heute gezielt ausgespielt.

Medien: „Bad news is good news.“ Schockierende Überschriften verkaufen sich besser, weil unser Gehirn automatisch auf Gefahr reagiert. Gewalt, Krisen, Skandale – das bleibt hängen. Positive Entwicklungen hingegen gehen unter.

Rechte Rhetorik: Rechtspopulisten haben diese Mechanik perfektioniert. Angst vor „den Anderen“, Bedrohungen durch Migrant:innen, die angebliche „Gender-Ideologie“ oder der Untergang durch Klimaschutzmaßnahmen – alles wird in Bedrohungsszenarien verpackt. Die Amygdala der Menschen springt an, Angst entsteht, und Angst macht empfänglicher für einfache Lösungen und starke Führerfiguren.

Politik allgemein: Auch demokratische Politik nutzt Negativbotschaften – oft über Warnungen („Wenn wir XY nicht machen, passiert Z“) - und diese braucht man auch oft um Änderungen anzustoßen. Aber Rechte steigern es ins Extreme: Sie malen Katastrophenbilder, auch wenn die Realität keine hergibt.

Warum wir verstehen müssen, wie wir ticken

Die dunkle Seite unseres Gehirns ist nicht böse – sie ist ein uraltes Überlebensprogramm. Aber in einer Welt, in der (zumindest für die meisten) keine Raubtiere mehr im Gebüsch lauern, sondern Schlagzeilen und Wahlplakate unsere Amygdala triggern, kann dieses Programm gefährlich sein.

Wer das versteht, erkennt auch die Strategien dahinter: Angst ist ein politisches Werkzeug. Und wer Angst versteht, kann ihr bewusster begegnen.

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Wer es genauer wissen will, hier meine Buchempfehlung zum Thema: 
Die dunkle Seite des Gehirns

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Kleiner Tipp für diejenigen, die sich gegen diese Negativitätsflut schützen wollen:
Um dem Negativity Bias entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Strategien, die uns helfen können, eine ausgewogenere Sichtweise auf unsere Erfahrungen zu entwickeln. Das faszinierende am Gehirn ist nämlich, dass wir es selbst um- bzw. neu programmieren können

Eine bewährte Methode ist das Praktizieren von Dankbarkeit. Indem wir regelmäßig Niederschriften führen, in denen wir positive Erlebnisse und Schlüsselmomente festhalten (auch ganz kleine), steuern wir unsere Aufmerksamkeit aktiv auf die guten Dinge in unserem Leben. Achtsamkeit und Meditation sind ebenfalls effektive Techniken, um im Moment präsent zu sein und negative Gedankenmuster zu erkennen, ohne direkt auf sie zu reagieren. Ein weiterer hilfreicher Ansatz ist die Umformulierung negativer Gedanken – anstatt uns nur auf das Schlechte zu konzentrieren, können wir versuchen, die Situation positiv zu reframen. Dieses bewusste Umlenken unserer Gedanken hilft, das emotionale Gewicht von Negativität zu reduzieren und fördert eine gesündere, ausgeglichene Lebensweise. Indem wir diese Techniken in unseren Alltag integrieren, können wir unser Gehirn neu trainieren und seinen natürlichen Fokus auf Gefahr in einen gesünderen, optimistischeren Ansatz umwandeln. Man ändert sich also von "es ist bedrohlich und ich muss weglaufen" zu "was kann ich dagegen tun".


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